Ein enttäuschendes oder traumatisches Geburtserlebnis kann sowohl dich, wie auch deine Partnerschaft und die Verbindung mit deinem Kind über lange Zeit schwer belasten.
Viele Frauen fühlen sich während der Geburt allein gelassen, nicht ernst genommen, hilflos oder sogar fremdbestimmt. Egal, ob der Grund dafür überwältigende Schmerzen waren, abwertende Äusserungen von einer Fachperson oder medizinische Interventionen, mit denen du nicht gerechnet hast: Während dem Geburtsprozess sind wir Frauen verletzlich! Wir brauchen einen sicheren Raum, denn nur wenn wir uns beschützt und geborgen fühlen, können wir uns von Innen heraus öffnen für das Kind! Treten Irritationen auf, die Stress und Angst auslösen, beginnt unser autonomes Nervensystem mit einer instinktiven Schutzreaktion um unser Überleben zu sichern.
Was passiert im Gehirn bei Angst?
Nervensysteme sind ständig damit beschäftigt, unsere Umgebung auf Bedrohung oder Gefahr zu überprüfen. Dieses innere Radarsystem läuft vollkommen unbewusst und automatisch ab. Wenn unser Gehirn eine Bedrohung erkennt, wird der Kampf – Fluchtmodus aktiviert. In diesem Fall übernimmt der Sympathikus, ein Zweig des autonomen Nervensystems die Führung und aktiviert eine Menge Energie, die uns in die Lage versetzt zu kämpfen oder zu flüchten. Kann dadurch die Gefahr nicht abgewendet werden, kommt der Parasympathikus zum Einsatz. Dieser kluge Bewältigungsstratege will uns helfen zu überleben, indem er sein „Abschaltprogramm“ aktiviert: Erstarrung und Schock. In diesem Zustand ist die Wahrnehmungsfähigkeit stark verändert, damit wir das Schreckliche nicht mehr fühlen müssen.
Diese überaus schlauen, normalen und gesunden Überlebensreaktionen beschreibe ich gerne mit folgender Metapher:
Stell dir eine mittelalterliche Burg in Friedenszeiten vor. Das grosse Tor ist geöffnet, es herrscht geschäftiges Treiben und im Zentrum gibt es einen Marktplatz, wo die Menschen ihre Lebensmittel feilbieten. Hier findet das Leben statt, es wird gefeiert und es gibt von allem genug. Die Speicher sind voll und die Menschen sind zufrieden. Auf den Türmen versehen die Wachposten ihren Dienst, alles ist ruhig so dass auch sie sich ein Spielchen gönnen.
Da zieht eines Tages ein feindliches Heer auf. Augenblicklich wird Alarm geschlagen, das Tor und die Zugbrücke werden hochgezogen. Die Wachen werden verstärkt, die Soldaten bewaffnen sich und richten ihre volle Aufmerksamkeit auf den Feind, um sofort reagieren zu können.
Im Inneren der Burg kommt Panik auf, was zu einem chaotischen Durcheinander führt. Die Menschen haben Angst und wissen nicht was auf sie zukommt. Die Nerven liegen blank und es kommt zu Streitereien. Je länger der Belagerungszustand anhält, desto reizbarer werden alle. Dazu kommt, dass die Nahrungsmittel knapper werden, weil ja nichts mehr hereingeführt werden kann, und so droht jetzt noch eine zusätzliche Gefahr: die Reserven werden bald aufgebraucht sein…
Warum hinterlassen überwältigende Erfahrungen so tiefe Spuren in unserem Inneren?
Sobald die Gefahr vorüber ist, kehren wir normalerweise in einen Zustand normaler Aktivität zurück. Dieser Stresszustand kann aber auch bestehen bleiben oder sich sogar noch steigern. Jedesmal wenn uns das Ereignis durch den Kopf geht, reagiert der Körper mit seinem Nervensystem so, wie wenn sich die Geschichte wiederholen würde. Auf diese Weise bleiben wir in überwältigenden Geschichten hängen. Der bewusste Verstand weiss natürlich, dass es vorbei ist, doch der Körper weiss es noch nicht. Unsere Erinnerungen, Sinneseindrücke, Emotionen, Instinkte und Konditionierungen sind im Unterbewusstsein abgespeichert. Dieses unterscheidet nicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Traumatische Ereignisse werden also im Körper, als sogenannte implizite Erinnerungen festgehalten. Du kannst Dir immer wieder einreden, erklären oder dich besänftigen mit: Es ist doch jetzt alles gut… Ich habe doch ein gesundes Kind… Jetzt schaue ich nach vorn…
Solange diese Traumaenergie in Deinem Körper sitzen bleibt, können Gedanken, Gefühle oder äussere Reize, Gespräche wieder hervor holen. Dieser Zustand eines unbewussten inneren „auf der Hut sein“ braucht viel Kraft und führen bald in eine tiefe Erschöpfung und leider auch immer tiefer in eine innere Isolation.
Der Weg zurück in die Ruhe und Verbundenheit
Ziel ist es, diesem inneren Schutz- und Sicherheitssystem, also Deinem Körper zu zeigen, dass die Gefahr vorüber ist. Dass das Kämpfen eingestellt werden darf und wieder Ruhe und Frieden einkehren dürfen. Ein traumatisches Erlebnis zu überwinden bedeutet, den Weg zurück in die Verbundenheit zu finden. Dieser Weg offenbart sich von selber, wenn das Nervensystem wieder Sicherheit wahrnehmen kann. Dazu braucht es warmherzige und anteilnehmende Menschen. Erst dann beginnt sich die Erstarrung zu lösen. Und in der Folge gewinnt der tiefe Drang nach menschlichem Kontakt die Oberhand gegen die Rückzugsimpulse. Menschlicher Kontakt ist unser tiefstes primäres Bedürfnis. In unserer Tiefe gibt es einen eine Quelle. Manche nennen es Seele, Kernselbst oder das wahre Selbst. Die Verbindung mit unserem wahren Selbst führt uns aus dem schwarzen Loch zurück ins Leben zu uns selbst! Dann wird die Energie frei für Heilung, Erholung und Wachstum. Wir fühlen wieder die Liebe, die innige Verbundenheit und das Gefühl von: Ich bin gut, so wie ich bin!